Eines der Ziele dieser Reise nach British Columbia war ja die Beschaffung von Material über die Crowsnest-Route der Canadian Pacific Railroad. Dazu gehören auch Bilder und zwar Bilder mit Zügen. Das ist gar nicht so einfach, weil die Züge natürlich nicht so häufig fahren, wie z.B.am Gotthard. Man müsste den Funkverkehr der Dispatcher – das sind die Zugverkehrslenker – mit den Zügen abhören können, was man offenbar kann, wenn man entsprechend ausgerüstet ist, was ich natürlich nicht war. Also heisst das irgendwo „ansitzen“ und auf das „Grosswild“ warten. Warum „Grosswild“? Es handelt sich doch um Züge? Ja, aber was für welche! Alle Züge, die ich photographieren konnte, hatten mehrere Lokomotiven, an der Spitze, als Zwischenlok und als Helper (Schub) und alle über 100 Wagen. Der längste, den ich in Field an der Hauptstrecke photographieren konnte, ein Zug mit Containerwagen hatte 150 Wagen. Damit ist auch gleich gesagt, dass ich in diesen Beitrag nicht nur über die Züge am Crowsnest-Pass berichte, sondern auch über jene auf dem Viadukt in Lethbridge A.B., in der Prairie bei Fort McLoed A.B., am Kicking Horse Pass, in Field B.C. und am Rogers Pass, die drei letzten an der CP-Hauptlinie. Das „Ansitzen“ geht immer gleich: entweder man hat einen Zug kommen sehen und man kann den Photostandpunkt erreichen bevor der Zug dort eintrifft, was in der Regel gut geht, weil diese schweren Züge nicht sehr schnell unterwegs sind, oder man setzt sich hin und wartet. Meist ist es bei letzterem Vorgehen so, dass man dann irgendwann die Geduld verliert, weiterfährt und dann kommt einem kurz darauf bestimmt ein Zug entgegen. Murphys Law gilt auch für die Eisenbahnphotographie.
Ich habe also zunächst die Westrampe des Crowsnest Passes rekognosziert, gewartet und aufgegeben und prompt kommt mir ein von zwei Union Pacific-Dieselloks und einer Lok einer Lok-Ausleihgesellschaft, also mit drei Loks geführter ostwärts fahrender Zug mit Getreide-Schüttgutwagen entgegen. Ich konnte ihn locker an einer vorher ausgekundschaftete Stelle photographieren, den ganzen Zug an mir vorbeifahren lassen – ich konnte gar nicht wegfahren, weil da ja der Zug auf dem Bahnübergang war – und hatte genug Zeit, um auf die Passhöhe zu fahren, um den Zug dort zu erwarten. Dort gibt es ein sog. „Siding“, eine Ausweichstelle in der einspurigen Strecke, vielleicht besser ein Doppelspurabschnitt. Bevor mein Zug eintraf, kam von der anderen Seite ein westwärts fahrender Zug mit zwei CPR-Diesellok und einem Helper, der meinen Zug dort kreuzte. Die Weichen sind mit einer Kette und einem Hängeschloss gesichert und werden von „Heizer“, dem zweiten Mann auf der Lok, gestellt. Signale gibt es hier in Crowsnest Summit nicht.
Am nächsten Tag fuhr ich nochmals zur selben Stelle, wie am Vortag und konnte einen Zug mit Kohlenwagen verfolgen, der auf der Corbin Subdivision zur Kohlemine in Corbin fuhr, und zwar bis zum Verladen der ersten Wagen. Der Zug wird ganz langsam, nach meiner Schätzung mit 1,5 m pro Minute unter der Verladeanlage durchgezogen, etwa 4 Minuten pro Wagen; die beladenen Wagen werden anschliessend mit Wasser besprüht, vermutlich um die Staubentwicklung einzudämmen. Bei 120 Wagen dauert dieser Vorgang ca. 8 Stunden. Da der hintere Teil des Zuges noch eine ganze Weile auf dem Bahnübergang der Zufahrtsstrasse steht, gibt es dort einen Bypass, damit man trotzdem aus dem Tal hinaus fahren kann. Übrigens: die Zugloks müssen nicht umgehängt werden. Anschliessend an die Verladeanlage gibt es eine Schleife, mit der der ganze Zug inklusive Schublok gewendet werden kann.
Die Westrampe beginnt nach Sparwood und steigt (von mir mit Google Map geschätzt) mit durchschnittlich 10‰ mit einer künstlichen Verlängerung mittels einer Schlaufe (Radius ~160 m ?) ins Tal des Leach Creek – die Zufahrt zur Kohlemine Corbin zweigt bei dieser Schlaufe ab – bis zum Crowsnest Summit-Siding. Der weitere Verlauf der Strecke entlang des Seen auf der Crowsnest-Passhöhe um anschliessend mit durchschnittlich 10 ‰ (geschätzt) in die Ostrampe überzugehen, die etwa bei Cowley die Ebene erreicht Die Crowsnest-Linie führt dann weiter nach Lethbridge AB und Medicine Hat AB.
In Lethbridge AB (910 m ü.M.) muss die Bahn das tief eingeschnittene Flusstal des Oldman River überwinden. Die ursprüngliche Strecke stieg ins Tal ab und wieder hinauf, was betrieblich ungünstig war, da für die relativ kurze Strecke zusätzliche Lokomotiven eingesetzt werden mussten. CPR entschloss sich daher, das Tal mit einem Viadukt zu überwinden. Das Ergebnis ist der Viadukt von Lethbridge. Es ist die grösste Brücke dieser Art auf der Welt, hat eine Länge von 1623,86 m einen maximale Höhe von 95,7 m und ist aus 11‘280 t Stahl gebaut. Im Vergleich dazu der Eiffelturm in Paris mit seiner Höhe von 324 m hat ein Stahlgewicht von 7‘300 t. Und auch gibt es „Grosswild“. Ich habe einen Zug mit über 120 Kohlenwagen gezählt.
Auf der Rückfahrt nach Vancouver habe ich die beiden Übergänge über die Rockies und die Selkirk Mountains, den Kicking Horse Pass und den Rogers Pass besucht. Die touristische Attraktion der Spiral Tunnels oberhalb Field BC habe ich schon im Beitrag „Landschaften, Landschaften 2“ gezeigt. Hier nur soviel: Könnte man sich so etwas an der Gotthardstrecke vorstellen?
Auf den Zug, den ich bei den Spiral Tunnels photographiert habe, habe ich in Field gewartet. Hier fand ein Mannschaftwechsel statt und die 150 Containertragwagen, die ich anschliessend hier gezählt habe, schneiden die Siedlung Field von der übrigen Welt ab, bis der Wechsel vollzogen ist und der Zug ins Ausweichgleis einfährt.
Züge über beide CPR-Linien, über die Hauptlinie und über die Crowsnest-Pass-Linie müssen über den Rogers Pass. Ursprünglich offen über den Pass geführt, wie heute der Trans-Canada-Highway, eröffnete CPR 1916 den 8,1 km langen Connaught-Tunnel und 1988 den 14,7 km langen Mount-Macdonald-Tunnel, der etwas tiefer liegt als der Connaught-Tunnel, was auch bei den Zufahrtslinien Anpassungen brauchte und die Steigung der Ostrampe reduzierte. Ostwärts fahrende Züge fahren durch den Connaught-Tunnel, solche westwärts durch den Mount-Macdonald-Tunnel.
Beim „Grosswild“ gibt es ja auch grössere und kleinere. So bin ich per Zufall an eine „Nebenbahn-Romantik à la canadienne geraten. An der Lok steht „IRRS“, was „International Rail Road Systems“ bedeutet. Die sogenannte Shortline gehört heute dem Säge- und Furnierwerk der Firma Atco Wood Products in Fruitvale BC, die durch diese Bahn bedient. Ich konnte ein Rangiermanöver in Fruitvale beobachten, bevor die Mannschaft zum Mittagessen ging. Name, Besitzverhältnisse und wo sie an die „Grossen“ anschliesst, kann man hier nachlesen: https://en.wikipedia.org/wiki/International_Rail_Road_Systems.
Und „Grosswild“ gibt natürlich nicht nur in Kanada. Auf meinen weiteren Reisen habe ich bis heute noch mehr photographiert, hier zwei Beispiele.