In Brest, wo der ganze Zug nach kurzer Zeit in einer Halle in seine Einzelteile zerlegt wird, werden Drehgestelle und Kupplungen ausgewechselt. Das Ganze geschieht in den frühen Morgenstunden und dauert sicher 1 ½ bis 2 Stunden. Niemand muss die Wagen verlassen. Ich habe nicht das Ganze mitverfolgt. Nachdem ich gesehen haben, wie es funktioniert, habe ich mich wieder schlafen gelegt, unterbrochen nur von einigen heftigen Schlägen, als der Zug wieder zusammengestellt wurde.
Am Morgen, d.h. nachdem wir aufgestanden sind, sind wir unterwegs, in einer weiten, offenen Landschaft mit kleinen Dörfern, Feldern und vorwiegend Föhrenwäldern. Mit der Spurweite hat sich eben auch die Landschaft verändert, die Eisenbahn, und – was man allerdings nur vermuten kann – auch die Kultur. In dieser anderen Kultur sind wir allerdings schon in unserem Schlafwagen seit Berlin. Der Morgengruss des Schlafwagen-Schaffners, der kein Wort einer anderen Sprache ausser Russisch spricht – ist ein Glas sehr heissen Wassers und ein kleiner Beutel mit Zucker und einer Messerspitze Kaffeepulver. Trinkbar, wenn man nichts anderes hat.
Noch vor Mittag erreichen wir Minsk. Auf der Fahrt weiter Richtung Moskau werden wir das erste mal mit der Preissituation konfrontiert: Zwei kleine Tomatensalate, einmal Fisch mit etwas Kartoffeln, ein Bier und ein Mineralwasser machen zusammen 50 US$ oder 36 €. Wir sind etwas erstaunt und skeptisch, müssen dann aber feststellen, dass dem tatsächlich so ist. Wenn man dieses Preisniveau im Zug mit der Landschaft draussen vergleicht, stellt man sich aber schon einige Fragen.
Etwa um 4 Uhr nachmittags hält der Zug kurz in Smolensk, Aussteigen ist nicht möglich. Dafür macht uns der Schaffner auf den Blick auf die Altstadt (oder die Festung?) von Smolensk aufmerksam. Leider ist es schwierig, einen wirklichen Eindruck davon zu photographieren, weil zu viele Bauten im Wege stehen.
In Wjasma wird nochmals die Lok gewechselt. Hier kommt eine Bo’Bo’+Bo’Bo von Skoda an den Zug, während uns von Minsk bis hierher eine Co’Co’ gezogen hat. Während bisher die Geschwindigkeit so zwischen 80 und 100 km/h pendelte, geht es jetzt zügig mit bis 140 km/h weiter. Etwa eine Stunde vor Moskau sehen wir den ersten Waldbrand, unmittelbar neben den Geleisen. Etwa 30 Minuten vor der Ankunft in Moskva Belorusskaja verdüstert sich der Himmel zusehends, die Sonne ist nur noch als rote Scheibe und dann gar nicht mehr sichtbar. In Moskau hat es einen dichten Smog, die Sichtdistanz beträgt schätzungsweise einen Kilometer. Es sieht aus wie Herbstnebel, aber Herbstnebel riecht bekanntlich nicht.
Am Weissrussischen Bahnhof in Moskau werden wir von Taxifahrern angesprochen; ausgerüstet sind sie mit einer Umhangtasche und einem Name-Tag. Man offeriert, uns für 1500 Rubel zum Hotel zu fahren, das wären über 50 Franken. Wir lehnen ab, worauf der „Taxifahrer“ seinen Preis in zwei Schritten auf 1000 Rubel reduziert. Er führt uns zu seinem Auto, kein Taxizeichen weit und breit, auch sein Name-Tag ist verschwunden. Aber er bringt uns schnell und sicher zum Hotel „Piotr 1“, da, wo ich jetzt noch sitze und diesen Blog schreibe und in dem es riecht wie in einer Fleischräucherei!
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