Russische Breitspur (1524 mm) hat uns in den letzten Tagen begleitet. Bei diesem Spurwechsel werden nicht die Drehgestelle ausgewechselt, nein, man kann fast sagen, die Welt: Aus einem durchaus osteuropäischen Milieu in Wladiwostok – obwohl ich natürlich weiss, dass Wladiwostok in Ostasien liegt – verändert sich bereits auf der Fähre Eastern Dream (unter der Flagge von Panama) die Welt. Wir sind einige wenige Europäer unter Koreanern und Japanern. Das bereitet uns ein bisschen auf die Welt vor, in die wir ausgewechselt werden: wir können jetzt schon fast nichts mehr lesen und die schönen Rubel sind auch nicht mehr zu gebrauchen. Hier verbringen wir einen Nacht und sind am Morgen wieder zwei Zeitzonen zurück gerutscht.
So gegen Mittag tauchen die ersten Anzeichen von Festland aus dem absolut ruhigen Pazifik auf und um ein Uhr macht die Fähre im Hafen von Donghae an der Ostküste Südkoreas fest. Hier wird die Welt eingeteilt in Koreaner und Nichtkoreaner, aber es geht im Vergleich zu anderen Zollkontrollen doch zügig voran. Draussen wird man dann von einer fast rührenden Hilfsbereitschaft empfangen, wenn sich hier auch zeigt, dass die Kommunikation schwierig werden wird. Nun, wir sind ja selber schuld: wir können ja kein Koreanisch (und das meine ich hier durchaus nicht ironisch!)
Hier trennen wir uns: George will mit dem Bus nach Seoul fahren, um früher dort zu sein. Für mich kommt natürlich nur der Zug in Frage: also mit dem Taxi zum Bahnhof. Und hier treffe ich eben wieder auf die den meisten von uns vertraute Spurweite von 1435 mm. Die erste Klasse ist nur unwesentlich teurer, verspricht aber etwas mehr Platz für die Beine. Der Zug wird von einer Bo’Bo’ der Klasse 8200 gezogen, gebaut von Hyundai Rotem nach einer Lizenz von Siemens.
Dementsprechend hat sie ein durchaus europäisches Gesicht. Die Wagen sind bequem, auch in der 1. Klasse vier Sitze in der Reihe. Die meisten Sitze sind in Fahrtrichtung gestellt, können aber gedreht werden. Was aber ganz wichtig ist: fast keiner sitzt an einem Fensterpfosten. Man kann also das, was da kommt, beruhigt auf sich einwirken lassen. Und da kommt tatsächlich etwas.
Die Fahrt führt durch die Taebaek-Berge: tief eingeschnittenen Täler und steile Bergflanken, die schmalen Talböden von Flüssen und dort, wo es irgendwie geht, von Landwirtschaft eingenommen. Dazwischen, darüber oder darunter schlängeln sich Bahn und Strassen. Die Linie ist einspurig; fast an jedem Bahnhof stehen Güterzüge, die von in der Regel zwei Bo’Bo’Bo’-Lokomotiven der Klasse 8000 gezogen werden, deren Aussehen sofort erkennen lassen, dass sie aus Frankreich kommen (ein bisschen europäischen Nostalgie darf schon sein, oder?). Die Strecke steigt bis auf über 800 m, z.T. mit Steigungen über 30‰, einer Spitzkehre – der Zug hält ganz kurz, fährt dann rückwärts bergan und ändert die Fahrrichtung wieder – und Kehrtunnels und Schleifen. Die Schönheit der Landschaft, die kleinen, meist gut gepflegten Häuser mit den glasierten Dachziegeln, die Gärten und Kulturen – der ganze Rest der Landschaft ist mit dichtem Mischwald bedeckt – macht die Fahrt zu einem Erlebnis.
Auch nach der Überwindung der Berge bleibt die Landschaft hügelig, die Fahrgeschwindigkeit nimmt aber deutlich zu, wie wenn der Zug die Ankunft in der Megalopolis Seoul, schon bei Dunkelheit, nicht erwarten könnte. Und hier wird man dann ins Leben zurückgeworfen, in die Metro und in eine Stadt, die bei ca. 30°C dampft.
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