22.12.2016

Richtung Antarktis 6.12. bis 11.12.2016

Natürlich nicht zum Südpol, nur das, was man als Tourist erreichen kann. Antarktis steht für die Region oberhalb des 60. Breitengrades, Antarktika für den Kontinent, auf dem der Südpol liegt. Es gibt zwar E-Mail an Bord, auch Internet-Zugang, aber nur beschränkt, sowohl finanziell über die Datenmenge als auch zeitlich. Ich kann zwar E-Mails senden und empfangen, das ist aber nicht in allen Teilen der Schiffsroute jederzeit möglich. Es kann Verzögerungen geben. Das Aufschalten einer Blogseite übersteigt damit die technischen Möglichkeiten. Ich werde deshalb eine Art Tagebuch führen und das dann nach der Rückkehr nach Ushuaia in den Blog einfügen.
Damit ist auch gerade gesagt, von wo aus wir starten: von Ushuaia, der Hauptstadt der argentinischen Provinz Feuerland.

6.12.2016
Wir – das sind ein paar andere Schweizer, die ebenfalls individuell angereist sind – werden im Hotel abgeholt und zum Flughafen gefahren, wo die Teilnehmer der letzten MS Bremen-Antarktisfahrt soeben die Heimreise antreten und die neuen Teilnehmer von Buenos Aires eintreffen. Bei regnerischem Wetter werden wir in den nahe Ushuaia gelegene Nationalpark Tierra del Fuego gefahren. Im Laufe des Nachmittags werden wir zum Schiff gebracht, wo wir auf der Mole empfangen werden, ein Einchecken wie in einem Hotel mit zusätzlicher Desinfektion der Hände. Mein Doppelkabine, nur von mir selber genutzt, hat den Standard eines gute Hotels, allerdings zusätzlich kostenlos eine kleine Flasche Sekt, eine Rose und einen Kühlschrank mit alkoholfreien Getränken. Kurz nach dem Einchecken werden wir in der Panorama-Lounge, die wir mit der Rettungsweste aufsuchen müssen – wir, das sind alle, ausdrücklich auch jene, die solche Instruktionen schon einmal gemacht haben – in die Alarmprozeduren eingeführt samt einem Besuch beim Einstiegspunkt für die Rettungsboote, was bei ein paar Mitreisenden schon leichte Panikattacken hervorruft. Um 18:00 legt die MS Bremen ab und nimmt Kurs auf die Malvinas (für Argentinien-Laien: die Falkland-Inseln). Nebenan am Kai liegt ein russisches Schiff, das ebenfalls mit Touristen in die Antarktis fährt. Die ruhige Fahrt durch den Beagle-Kanal während des gediegenen Nachessens und die zwei, drei Biere auf dem Achterdeck werden jäh unterbrochen durch einen heftigen Wind, der uns die ganze Nacht begleiten wird und das Schiff in Bewegung hält. Vom Samichlaus erfahren wir nur etwas durch den Schoggi-Chlaus, der in der Kabine liegt.

Ushuaia--Beagle Kanal

Wir verlassen Ushuaia um 18:00 zur Fahrt durch den Beagle Kanal, eine natürliche Wasserstrasse, Richtung Osten

7.12.2016
Nach einer unruhigen Nacht – ich weiss nicht, ob es der Kaffee am Vorabend ist oder die Bewegung des Schiffes – zeigt sich die See am Morgen von ihrer rauhen Seite, bis vier Meter hohe Wellen den ganzen Tag. Dieser ist geprägt von Instruktionen, Vorträgen und der Abgabe der Ausrüstung, nämlich Stiefel und gute Windjacken. Zuerst werden wir über das Prozedere zum „Anlanden“ mit „Zodiacs“ (Gummiboote) instruiert, dann werde einige Personen vorgestellt, solche, die uns über dies und jenes informieren sollen und solche, die die Reise leiten, z.B. Thomas Kleiber von SRF Meteo, Claude Nicollier, Reto Brennwald u.a. Dann folgt noch ein Vortrag über die Malvinas, die Falkland-Inseln, unser erstes Ziel. Am Nachmittag werden alle Teilnehmer mit Parkas und Stiefeln ausgerüstet. Am Abend kommt für mich die Stunde der Wahrheit: lassen sie mich auch ohne Hemd, Krawatte und Jackett zum angesagten Kapitäns-Willkommens-Cocktail und -Abendessen? Nun, ich habe herausgefunden, dass ich nicht der einzige bin, dem diese Ausrüstung fehlt. Heiri und Franziska von Pontresina sind in der gleichen Lage. Damit ist auch schon etwas über die Mitpassagiere gesagt: Ich gehöre vermutlich zur durchschnittlichen Altersgruppe, alles Schweizerinnen und Schweizer, die halt so sind wie sie sind. Der Seefahrtsstress erleichtert die Kommunikation.

Ushuaia--Falkland

Ushuaia–Falkland / Malvinas: Die See gilt im Allgemeinen als unruhig

8.12.2016
Bei immer noch ziemlich bewegter See gehen wir bei Bleakler Island, einer kleinen Insel vor Ost-Falkland, vor Anker. Hier wäre die erste Möglichkeit mit den Zodiacs an Land zu gehen. Die See ist aber noch ziemlich unruhig ziemlich, weshalb ich darauf verzichte, nicht dagegen am Nachmittag in Stanley, der Hauptstadt der Falkland-Inseln, ein kleiner Ort mit etwas über 2000 Einwohners, sehr britisch mit Linksverkehr usw. Hier gibt es ein kleines Museum, in dem das eindrücklichste ein Film über den Falkland-Krieg von 1982 ist, in dem v.a. allen Stimmen der Falkländer zu hören sind, wie sie diesen Krieg damals erlebt haben und wie er z.T. bis heute nachwirkt. Dazu muss man wissen, dass die Bevölkerung auf den Inseln praktisch 100% englischsprachig ist und sich der Anspruch Argentiniens offenbar hauptsächlich davon ableitet, dass die Malvinas bzw. die Falkland-Inseln auf dem Kontinentalschelf vor Argentinien liegen.
Auf dem Schiff werden wird auf Trab gehalten: am Morgen hält Thomas Kleiber von SRF einen interessanten Vortrag darüber, warum es auf der Südhalbkugel und der Antarktis viel kälter ist als auf der Nordhalbkugel bzw. in der Arktis. Vor dem Nachtessen interviewt Reto Brennwald Leute von der Crew und am Abend erzählt Claude Nicollier über seine Arbeit im Weltraum.

Stanley, Falkland

Stanley, Falkland

9.12.2016
Heute Morgen ist es kalt – minus 2,4 °C und grauer Nebel beherrscht die Szenerie. Wir sind bei ruhiger See aber deutlich spürbarer Dünung von zwei bis drei Metern nun zwei Tage und drei Nächte unterwegs nach Südgeorgien. Vorträge über Ernest Shackleton, über die Forschung über die Wanderung der Pinguine und Albatrosse und über Bartenwale füllen den grauen Tag. Am Abend ist zusätzlich noch eine Filmvorführung zur Shackleton-Geschichte vorgesehen, die aber wegen dem starken Seegang verschoben wird.

10.12.2016
Heute werden wir auf den Landgang auf Süd-Georgien vorbereitet. Es gelten sehr strenge internationale Regeln, um den Schutz dieses Gebietes zu gewährleisten. Wir müssen unserer Kleider zur Inspektion und Reinigung bringen, um möglichst alles allfällig vorhandene organische Material zu entfernen. An Land darf nicht gegessen und geraucht und auch keine Notdurft verrichtet werden. Auch das Verhalten gegenüber den Tieren – nebst den Pinguinen und Meeresvögeln gibt es Robben – wird instruiert. Am Nachmittag passieren wird die Shag Rocks – im wahrsten Sinne des Wortes „verschissene“ Felsen – einem Ausläufer von Süd-Georgien. Die MS Bremen hält hier ca. eine halbe Stunde. Beim Weiterfahren verhindern drei Buckelwale, die bis 10 m ans Schiff herankommen, dass der Vortrag über Pinguine rechtzeitig beginnen kann.

Shag Rocks

Shag Rocks

Shag Rocks

Shag Rocks: Die Vögel sind Kormorane

11.12.2016
Am frühen Morgen erreichen wir die erste Station in Süd-Georgien, wo wir bei den sogenannten Salisbury Plains an Land gehen und Seebären (Pelzrobben) und Königspinguine, letztere in eine Kolonie von schätzungsweise 200‘000 Tieren, sehen können. Weder die Robben noch die Pinguine zeigen Scheu. Vor den Robben-Bullen, die ihre Harems bewachen, muss man sich in Acht nehmen, d.h. einen Abstand von mindestens 15 m einhalten. Nach diesem Besuch bringt uns die MS Bremen zur Hercules Bay, einer Bucht mit steil aufragenden Feldwänden, in der wir mit den Zodiacs in Ufernähe gebracht werden, wo wir Goldschopfpinguine, Pelzrobben und Seeelephanten sehen können. Wieder ein bisschen zurück gegen Westen fahren wir in die Fortuna Bay zum letzten Anlanden heute. Die MS Bremen wird über Nacht in dieser Bucht bleiben, was uns eine ruhige Nacht bescheren wird.
Es ist schon etwas zu sagen zu diesen Besuchen: sie sind sehr gut organisiert. Es dürfen maximal 100 Leute gleichzeitig an Land gehen. Dort werden sie von den Exkursionsleitern in klar begrenzten Gebieten zusammengehalten. Einige dieser Exkursionsleiter sind auch Fachleute für die Fauna und können kompetent Auskunft geben. Auf diese Weise wird versucht – m.E. mit Erfolg – die Auswirkung des Tourismus auf die Ökosysteme in Grenzen zu halten. Andere Massnahmen wie ein absolutes Rauch- und Essverbot, die Reinigung und Desinfektion der vom Veranstalter zur Verfügung gestellten und obligatorisch zu benutzenden Stiefel, das Verbot seinen Rucksack oder ähnliches auf den Boden zu stellen und das ebenso absolute Verbot etwas von der Insel mitzunehmen oder auf der Insel zurückzulassen – kein Stein, kein Grashalm, keine Feder, einfach nichts – wird wirklich durchgesetzt. Und ich denke, das ist gut so.

South Georgia, Salisbury Plain

South Georgia, Salisbury Plain: ein Seebären-Bulle bewacht sein Harem

South Georgia, Salisbury Plain

Königspinguin-Kolonie, South Georgia, Salisbury Plain

South Georgia, Salisbury Plain

Die braunen „Kaffee-Wärmer“ sind Königspinguin-Jungtiere, South Georgia, Salisbury Plain

South Georgia, Salisbury Plain

Königspinguine schwimmen hinaus, um zu futtern, South Georgia, Salisbury Plain

South Georgia: Hercules Bay

Goldschopf-Pinguine, South Georgia, Hercules Bay

South Georgia: Fortuna Bay

Mein erster Eisberg, South Georgia, Fortuna Bay

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