10.02.2017

Zurück nach Europa

Die Reise zurück nach Europa mache ich an Bord des Schiffes BALTHASAR SCHULTE. Hier ein paar Notizen zum Verlauf der Reise.

Dienstag, 17.01.2017: Nach meinem 5½-Stunden-Flug mit LATAM – diesmal auch hier in den südamerikanischen Körpergrössen angepassten Sitzen, die Dame in Santiago war bei meiner Frage nach Beinfreiheit sehr, sehr ungnädig um nicht zu sagen unhöflich – kam als erstes der Versuch, meine restliche chilenischen Pesos am Flughafen in US-Dollar umzuwandeln. Die Wechselstelle darf maximal 29‘000 chilenische Pesos annehmen, das entspricht ungefähr USD 44. Gut, ich hatte ja noch US-Dollars. Trotzdem finde ich das seltsam. Im Hotel, in dem ich für zwei Nächte gebucht hatte, erreichte mich die Meldung des Hafenagenten, dass ich am 18.1. erst um 16:00 und nicht wie vorher angekündigt, schon um 10:00 abgeholt würde. Kein Problem, das gibt mir mehr Zeit, um die verschiedenen Dinge noch zu erledigen, die ich vor der 22-tägigen Schiffsreise ohne Kommunikationsmöglichkeit noch erledigen sollte.

Mittwoch, 18.01.2017: Netterweise erlässt mir das Hotel die zweite Nacht, die ich schon gebucht hatte und dies obwohl ich bis 15:30 im Zimmer blieb und arbeitete. Um 16:00 werde ich abgeholt und nach den Zollformalitäten mit zwei weiteren Passagieren, zwei Finnen in meinem Alter, zum Schiff gebracht, wo wir von 3. Offizier empfangen, über die wichtigsten Dinge informiert und in unsere Kabinen gebracht werden. Die Offiziere sind Russen, Ukrainer und ein Rumäne. Der 3. Offizier ist sehr nett, aber die anderen, mit denen ich bisher Kontakt hatte einschliesslich des Kapitäns, machen einen eher abweisenden um nicht zu sagen fast unhöflichen Eindruck. Für mich neu ist die Einschränkung, dass wir die Brücke nur von morgens 08:00 bis 16:00 besuchen dürfen. Das war bei keiner meiner bisherigen Reisen so, ist aber wohl in der Kompetenz der Schiffsführung. Schade! Ich erinnere mich ein bisschen wehmütig an den überaus freundlichen Empfang auf der CMA CGM MATISSE durch die indische Crew einschliesslich und vor allem des Kapitäns. Nun, wir werden es überleben. Wir, das sind eben die beiden Finnen und ein78jähriger Schweizer, ehemaliger Swissair-Kapitän, der die ganze Reise von Hamburg nach Callao und Guayaquil schon mitgemacht hat, insgesamt eine angenehme Gesellschaft, wenn ich bei ein paar Themen „auf mein Maul hocke“.

Donnerstag, 19.01.2017: Nach einem Tag an Bord legt die BALTHASAR SCHULTE nach 19:00 in der schnell hereinbrechenden Dunkelheit ab und nimmt die Fahrt durch das Flussdelta in die offene See auf, die wir etwa nach drei bis vier Stunden erreichen. Die Nacht ist ruhig, Bewegungen des Schiffes sind kaum spürbar.

Guayaquil

Ablegen in Guayaquil am Abend mit einer Tropendämmerung über dem Mangrovenwald

Freitag, 20.01.2017: Der erste Tag auf See beginnt ganz ruhig, keine Bewegung, eben „Ententeich“. Um 12:00 mittags überqueren wir den Äquator: wir sind wieder auf der Nordhalbkugel. Die Stimmung an Bord hat sich – leider – nicht verändert. Der Kapitän verlangt, dass wir grüssen, wenn wir auf die Brücke kommen und wenn wir sie verlassen – für mich, ja für uns, eine Selbstverständlichkeit. Das hat aber am Verhalten des Kapitäns nichts geändert. Er kann einen Meter an einem vorbei laufen und man hat den Eindruck, er nimmt uns nicht wahr, keinen Blickkontakt, kein Wort. Was ist dem über die Leber gekrochen?

Guayaquil--Panama

Guayaquil–Panama: Ententeich würden die deutsche Seeleute sagen

Samstag, 21.01.2017: Erstaunlich, aber es war wirklich die ganze Nacht nichts zu spüren. Ausser vorwärts bewegt sich das Schiff gar nicht. Der Pazifik macht seinem Namen alle Ehre. Sonst hat er diesen Ruf eigentlich nicht. Ich mache am Morgen einen Spaziergang an Deck zur Back (für Landratten: das ist der Schiffsteil am Bug), dem friedlichsten Ort auf so einem Schiff, absolut ruhig, kein Maschinenlärm und wenn das Schiff genügend Tiefgang hat auch keine Geräusche von Wellen. Beim Gang dahin sehe ich an Steuerbord (f.Lr.: rechts) Delphine springen. Etwas später sind es bestimmt 20 Tiere, die zu zweien und zu dreien neben dem Schiff herspringen. Die ganze Zeit sitzt auf der Reling ein grosser Vogel, der sich von meiner Anwesenheit nicht stören lässt. Gegen Abend tauchen erste Schiffe auf.

Guayaquil--Panama

Sonntag, 22.01.2017: Wir erreichen den Punkt, wo wir den Lotsen an Bord nehmen sollen, bereits am frühen Morgen. Nach einer längeren Wartezeit inmitten vieler anderer Schiffe kommt der Lotse gegen 11:00 vormittags an Bord und führt das Schiff unter der Brücke hindurch in den Kanalbereich und in den Hafen Rodman. Meine finnischen Mitreisenden und der Schweizer wollen eigentlich von Bord und Panama einen Besuch abstatten. Am Abend erfahre ich, dass es ihnen nicht gestattet wurde mit der Begründung, die Immigration Authorities von Panama würden am Sonntag nicht arbeiten. Nun, vielleicht stimmt es ja.

Panama

Panama: Einfahrt in den Kanal bzw. den Hafen, links jener von Balboa. Rodman liegt auf der linken , gegenüber liegenden Seite

Montag, 23.01.2017: Nachdem wir die ganze Nacht im Hafen Rodman – das ist gegenüber dem Hafen Balboa, Panama – verbracht haben, fahren wir bei strahlender Sonne gegen 7:00 auf die Schleuse von Miraflores zu. Neue Regel: offenbar dürfen wir uns während den Manövern nicht in der Brücke aufhalten, nur auf jenem offenen Teil, auf dem sich der Lotse und der Kapitän nicht aufhalten. Es scheint, dass diese Crew alles tut, einem die Reise zu vermiesen. Ich habe die Fahrt durch den Panama-Kanal schon zwei Mal gemacht und hatte bisher nie solche Schwierigkeiten. Ich konnte mich immer frei auf der Brücke bewegen. Dass man darauf achtet, den arbeitenden Leuten nicht im Weg zu stehen und sich ruhig und zurückhaltend zu verhalten, scheint mir klar sein. Und es gab absolut keine Anzeichen, dass meine Mitreisenden das anders sehen. Für diese hingegen war die Wahl der Route mit der Absicht verbunden, diese Fahrt durch den Kanal zu erleben. Ich weiss nicht, welchen Teufel diese Crew – vermutlich hauptsächlich Kapitän und Chief Officer – reitet. Schade, müsste nicht sein! Hingegen winkt uns der Lotse durch die Fenster freundlich zu. Auf anderen Schiffen wird man von diesen Leuten angesprochen, was zu anregenden Unterhaltungen führen kann.

Die Fahrt bei wirklich schönem, klarem und heissem Wetter durch den Kanal ist dann aber auch mit den Einschränkungen ein Erlebnis. Wir verlassen die Gatun-Schleusen so gegen 18:00 und setzen die Fahrt zum nächsten Hafen, Manzanillo, fort.

23. Januar, Panama-Kanal

Hier sind wir auf dem obersten Niveau bei der Einfahrt in den engsten Teil des Kanals, links die Einmündung von den neuen, grösseren Schleusen

23. Januar, Panama-Kanal

Gatun-See, durch den der Panamakanal führt, oder besser, der eigentlich einen grossen Teil des Kanals ausmacht

23. Januar, Panama-Kanal

Wir sind durch! Und verlassen die Gatun-Schleusen. In der Schleuse links ist unser Dauerverfolger durch den Kanal, der Autotransporter HÖEGH ST. PETERSBURG, der die unterste Schleusenstufe ebenfalls verlassen hat

Dienstag, 24.01.2017: Das Ablegen von Manzanillo findet vor dem Morgengrauen statt. Bei Sonnenaufgang sind wir auf einer wiederum sehr ruhigen, glatten See unterwegs. Beim Gespräch m Mittagstisch fragt mich ein Offizier nach den Gepflogenheiten an Bord von CMA CGM, z.B. ob ich da Kontakt mit der Crew gehabt habe. Zumindest die Frage ist im Kontext, in dem wir uns zurzeit befinden, interessant.

Im Lauf des Nachmittags stoppen die Maschinen. Ich sitze auf den „Balkon“ – das ist hier der Treppenabsatz auf meinem Deck ausserhalb – mangels Erlaubnis, sich nach 16:00 auf der Brücke aufzuhalten. Wir sind offenbar in Manzanillo schneller weggekommen, als geplant. Mitten auf See kostet keine Hafengebühren. Deshalb warten wir hier. Gegen Abend haben wir dann die Fahrt wieder aufgenommen. Die Uhren werden in der Nacht um eine Stunde weiter gestellt.

24. Januar: Manzanillo--Cartagena

Von Manzanillo, Panama nach Cartagena, Kolumbien: ohne weiteren Kommentar

Mittwoch, 25.01.2017: Im Morgengrauen erreichen wir Cartagena und sind etwa um 06:30 am Pier. Widersprüchliche Meldungen betreffend die Zeit, die für einen Landgang zur Verfügung stünde, veranlassen mich zunächst, darauf zu verzichten. Als dann aber klar wird, dass offiziell im Schiffs-Office 17:00 und nicht 13:00, wie man mir mündlich mitteilte, für die Rückkehr an Bord angeschlagen sei, mache ich mich mit den anderen Passagieren auf den Weg.

Cartagena ist schön, heiss und schwül, klimatisch also nicht so mein Ding. Nichts desto trotz habe ich einen Rundgang gemacht und ein Kaffee mit Internetanschluss gefunden, von wo auch ich vor der 11-Tages-Atlantiküberquerung noch mit meiner „Mitwelt“ Kontakt aufnehmen kann, was prompt zu Aufträgen führt: Dunkle Schokolade aus dem „Museo del Chocolate“ wird importiert. Mehr über Cartagena, eine wirklich schöne Stadt – zumindest was die Altstadt betrifft – habe ich in meinem Blog von 2012 geschrieben. Und ich habe den Eindruck, dass es dieser Stadt heute noch besser geht als vor vier Jahren.

Ablegen ist um 20:30. In der Nacht werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt. Sobald wir die geschützte Bucht von Cartagena verlassen haben, beginnt sich das Schiff merklich zu bewegen, was die ganze Nacht anhält. Neptun will uns also doch nicht ganz verschonen – was zu erwarten war.

25. Januar: Cartagena

Cartagena

25. Januar: Cartagena

Cartagena, auch hier gute Graffitis, wie an vielen Orten in Südamerika

Donnerstag, 26. Januar 2017: Der Wind aus Nordost – der Passat – bläst uns entgegen. Deshalb sind die Bewegungen des Schiffes zwar spürbar, aber nicht stark. Die Situation veränderte sich den ganzen Tag nicht. Nach dem Mittagessen bekamen wir vom 3. Offizier, der für Sicherheitsfragen zuständig ist, eine Führung auf dem Deck, wo er uns alle sicherheitsrelevanten Details erklärte.

26. Januar

In der Karibik

Freitag, 27. Januar 2017: Die See ist heute wieder viel ruhiger. Am Nachmittag haben wir den Punkt erreicht, bei dem wir nach Passieren zwischen Santo Domingo und Puerto Rico stärker nach Osten schwenken. Offenbar hat der Kapitän einen Kurs etwas südlich des Grosskreises – da wäre die direkte Route – gewählt, um schlechtem Wetter auszuweichen. Wir werden also nicht zwischen den Azoren-Inseln hindurchfahren, sondern diese südlich umfahren. In der Nacht werden die Uhren um eine Stunde weiter gestellt.

27. Januar

Das ist eine Insel, die zu Puerto Rico gehört

Samstag, 28. Januar 2017: Etwas mehr Bewegung, aber immer noch kein Grund deswegen schlecht zu schlafen. Vielleicht liegt es doch an der sehr harten Matratze, nachdem ich in den letzten Monaten die weichen amerikanischen Betten genossen habe. Am Morgen haben wir die Position 20°44‘ N / 64°01‘ W und fahren mit fast 17 Knoten auf einem Kurs von 66°. Es ist warm und die See dampft, was wunderschöne Wolkenbilder und auch einen kleinen Regenschauer abgibt. Trotzdem ruft das direkt nach einem Aufenthalt  am ruhigsten Ort des Schiffes, am Bug. Mittlerweile hat dieser Schiffsteil unter den Passagieren den Übernamen „the beach“ bekommen. Hier wird heute auch gemalt. Der Seemann hat eine Overall der EMS-Chemie an, am Rücken gross „EMS“ und vorne das EMS-Chemie Logo. So weit reicht also der Arm der Blochers. Der Seemann weiss nicht mehr, woher er diesen Overall hat.

28. Januar

EMS-Chemie mitten in Atlantik?

Sonntag, 29. Januar 2017: Unverändert ruhig, heute sogar sehr ruhig und fast wolkenlos. Am Morgen haben wir die Position 23°32‘ N / 65°01‘ W und fahren mit rund 20 Knoten auf einem Kurs von 65°. Wir befinden uns jetzt definitiv auf der Nordhalbkugel: letzte Nacht haben wir den nördlichen Wendekreis überschritten bzw. natürlich überfahren oder übersegelt .. wie sagt man bei einem Schiff eigentlich? Englisch würde man sagen: „ We sailed over the …“ obwohl auch im englischsprachigen Raum die Containerschiffe mit Dieselmotoren unterwegs sind. In der Nacht werden die Uhren eine Stunde weiter gestellt.

29. Januar

Das Schiff ist nicht einseitig beladen, es rollt!

Montag, 30. Januar 2017: Heute morgen scheint sich etwas zu ändern. Wir haben mittlerweile eine Position von 26°14‘ N / 51°19‘ W erreicht und sind wieder mit 16 Knoten auf einem Kurs von 65° unterwegs. Zum ersten Mal, seit wir im Atlantik sind, sieht und spürt man die Dünung. Das Schiff macht jetzt deutlich spürbare Bewegungen und hin und wieder ist es gut, wenn man die Regel befolgt, dass im Schiff eine Hand immer dem Schiff gehört. Auch hat sich eine graue Wolkendecke eingestellt.

30. Januar

Dienstag, 31. Januar 2017: Die See hat sich in ihrem Verhalten nicht geändert. Am Morgen haben wir mit fast 17 Knoten  die  Position von 28°59‘ N / 44°36‘ W erreicht. Am Nachmittag fahren wir aber nur noch mit 12 Knoten und stellen die Weiterfahrt gegen Abend ganz ein. Das Schiff ist jetzt ohne Fahrt der Dünung ausgesetzt, was sich in unangenehmen Schlägen äussert, die das ganze Schiff oder zumindest die „accommodation“ erzittern lassen. Ein komisches Gefühl, so mitten im Meer zu treiben mit fast 4 km Wasser unter dem Kiel. Grund für dieses Vorgehen und auch für die reduzierte Geschwindigkeit sind drei Stürme, die sich zusammenbrauen und denen der Kapitän ausweichen will. So schildert es uns der Chief Engineer am Abend. Im späteren Abend nimmt das Schiff wieder Fahrt auf. In der Nacht stellen wir die Uhren wieder eine Stunde weiter. Wir haben jetzt noch zwei Stunden Differenz zu zuhause.

01-31

Mittwoch, 1. Februar 2017: Heute Morgen sind wir bei  30°36‘ N / 40°35‘ W – das ist die nördliche Breite von Ponte Vedra Beach, wo Pat wohnt – mit 11.4 Knoten unterwegs. Die See ist wieder ruhiger, der Tag plätschert dahin wie die anderen auch: um 08:00  Frühstück, anschliessend ein Besuch auf der Brücke, um 12:00 Mittagessen, dann vielleicht einen Spaziergang zum Bug, dort ein Weilchen philosophieren, um 18:00 Nachtessen und noch ein Bier. Wir schleichen in den nächsten drei Tagen mit den 12 Knoten gegen Nordosten und hoffen, dass wir dann nach dem Sturm und vor dem nächsten Sturm in den Ärmelkanal schlüpfen können. Es wird bereits von einem Tag Verspätung gesprochen. Mal sehen! Auf jeden Fall war keine meiner bisherigen Seereisen seemässig so ruhig.

02-01

Sonnenaufgang

Donnerstag, 2. Februar 2017: Heute ist der erste Tag mit Bewegung. Nicht die Wellen sind es, die die Bewegung des Schiffs ausmachen, es ist die Dünung oder der Schwell, wie sich die deutsche Mannschaft der MS BREMEN ausdrückte. Heute Morgen hatte ich Gelegenheit, dem Kapitän über die Schulter zu gucken, als er die Prognose für Wind und Wellenhöhe mit unserem geplanten Kurs verglich. Da ist im Nordatlantik ein ziemlicher Sturm im Gang. Heute Morgen hatten wir die Position 32°39‘ N / 35°22‘ W, immer noch weit südlich der Azoren. Um nach diesem Sturm und vor dem nächsten, der sich ankündigt in den Ärmelkanal einschwenken zu können, sind wir immer noch auf dem Kurs von 65° mit 12 Knoten. Wenn so weiter fahren, werden wir am nächsten Waypoint 13 ungefähr einen Tag Verspätung haben, aber das gehört zu einer Frachtschiffreise, der Fahrplan, ja nicht einmal der Ankunftshafen ist garantiert.  Das hat man zur Kenntnis genommen und unterschrieben. Aus diesem Grund haben die beiden Finnen auch noch kein Flugticket und wir Schweizer noch kein Zugbillet.

Am Morgen begegnen wir einem Fischtrawler, der recht weit von seiner Basis vermutlich auf den Azoren weg ist. Gegen Mittag werden wir von einem Containerschiff, der CAP ROBERTA, überholt. Dieses hat einen Zielhafen in Galizien (Nordwest-Spanien) und versucht vermutlich, diesen noch vor dem Sturm zu erreichen. Das waren übrigens die ersten Schiffsbegegnungen, seit wir Cartagena verlassen haben.

Das Wetter wird immer grauer. Es ist aber noch relativ warm. Gegen Abend beginnt es zu regnen. In der Nacht werden wird die Uhren wieder eine Stunde weiter stellen und haben dann UTC oder GMT, wie man will, als noch eine Stunde Unterschied zur Schweiz. Wenn morgen sonst nichts Interessantes geschieht, werde ich einmal etwas über das Schiff schreiben und darüber, was ich beim Bordunterhaltungsprogramm so alles mache den lieben langen Tag.

02-02

Es ist nicht einfach, die Dünung oder die Wellen so zu photographieren, dass man zuhause einen wirklichen Eindruck davon bekommt

Freitag, 3. Februar 2017: 03:45: Mit Schlafen ist es etwas schwierig und zwar nicht wegen den Schiffsbewegungen, sondern wegen den Zeitumstellungen. Nun, dann sitzt man eben an den Computer und schreibt darüber. Vielleicht macht mich das genügend müde.

Morgens um halb neun, nach dem Frühstück – es beginnt wegen den Zeitumstellungen erst gerade zu tagen – sind wir wieder mit 14,5 Knoten bei Position 34°56‘ N / 29°26‘ W unterwegs und werden die Azoren in den Nacht erreichen. Von dort drehen wir auf einen etwas nördlicheren Kurs geradewegs auf die Westspitze der Bretagne zu. Den ganzen Tag über stampft das Schiff, weil die Düngung von Südwesten kommt und rollt nur wenig. An Nachmittag haben wir wieder einen klaren Himmel, sodass ein längerer Aufenthalt am Bug gut möglich ist. Über das Schiff und was ich den Tag über so tue, schreibe ich dann vielleicht morgen.

02-03

Schaumkronen auf den Wellen sagen etwas über die Windgeschwindigkeit hier, massgebend für die Bewegungen des Schiffes sind diese Wellen nicht

Samstag, 4. Februar 2017: Morgens um etwa 02:00 haben wir die Azoren östlich passiert. Um 09:00 sind wir bei 37°46‘ N / 23°14‘ W mit 15 Knoten in Richtung 46° unterwegs. Der Wind frischt auf und die Bewegungen des Schiffes nehmen zu. Heute werden wir eingeladen, den Maschinenraum zu besuchen. Der Chief Engineer ist ein sehr freundlicher Herr, der alle unsere Fragen geduldig beantwortet. Diese Maschinenräume sehen auf allen Schiffen etwa ähnlich aus. Dies ist eine günstige Gelegenheit, etwas über das Schiff zu sagen: Die BALTHASAR SCHULTE wurde 2012 in China gebaut. Sie ist 261.10 m lang und  32.25 m breit und ist damit für die alten Schleusen Panama-Kanal –tauglich. Sie kann 4253 TEU-Container laden und gehört damit zu den kleineren Schiffen, vermutlich vergleichbar mit der CMA CGM MATISSE, mit denen ich bisher unterwegs war. Sie ist mit einem 8-Zylinder MAN-Dieselmotor mit einer Leistung von 36‘560 kW ausgerüstet. Sie gehört der Reederei Thomas Schulte in Hamburg und ist zurzeit von Hamburg Süd gechartert und in deren Liniendienst Hamburg—Panama—Callao eingesetzt. Die Mannschaft umfasst acht Offiziersränge – Russen, Ukrainer und ein Rumäne – zwölf Seeleute von den Philippinen und vier Passagiere, zwei Finnen und zwei Schweizer. Die BALTHASAR SCHULTE wird noch eine Fahrt nach Callao unternehmen und dann nach Ostasien weiterreisen, nicht mehr für Hamburg Süd.

Am Nachmittag mach ich einen Spaziergang auf Deck, werde aber angewiesen, mich wegen starken Windes nur auf der Steuerbordseite aufzuhalten. Am Bug ist von diesem Wind nicht viel zu merken, dafür aber kann man die Bewegungen des Schiffes ausgiebig geniessen – und ich meine das so: es ist wirklich ein Genuss. Wenn man auf Deck geht, soll man sich bei der Brücke ab- und wenn man zurück kommt, zurückmelden. Auf der Brücke treffe ich nur den Kapitän, mit dem ich – es geschehen noch Zeichen und Wunder – eine kleine Unterhaltung über die Wetter- und Sicherheitssituation auf Deck führe, von seiner Seit mit einem kleinen Witz garniert.

Im Lauf der Nacht nehmen die Bewegungen des Schiffes noch zu.

02-04

Das sind die Ausläufers des Sturms nördlich von uns

Sonntag, 5. Februar 2017: Heute morgen befinden wir uns bei 41°27‘ N / 17°38‘ W westlich von Nordwest-Spanien, Galizien. Wir sind mit 20 Knoten, etwas später mit 18 Knoten Richtung 48° unterwegs und sollten den nächsten Waypoint westlich der Bretagne morgen Nachmittag erreichen, wo wir gerade zwischen zwei Tiefs in den English Channel einbiegen sollten. Man empfiehlt uns, heute und eventuell morgen nicht an Deck zu gehen. Obwohl die See zurzeit nicht sehr stürmisch aussieht, rollt das Schiff und krängt wegen einer Dünung aus zwei Richtungen beidseits bis zu 8°. Das scheint nicht viel, aber man muss beim Herumlaufen schon aufpassen. Eine Hand gehört dem Schiff!

Nun, was tue ich den so, den lieben langen Tag? Also, da sind einmal die drei Malzeiten, die den Tag strukturieren. Dann kann man sich – wenn es möglich ist – an Deck bewegen, 200 m zu Bug und zurück. Man kann lesen oder Filme abschauen –  das Schiff hat eine Bibliothek und eine sehr gut bestückte Videothek – und dann habe ich natürlich allerhand Altlasten mitgenommen: ein bisschen Programmieren für meine WSL-Kollegen (hoffentlich können sie es dann auch noch brauchen, sonst habe ich in den Wind gearbeitet), am einen oder anderen Artikel zu schleifen, die ich noch versprochen habe, aber auch an meinen Hobbies, Eisenbahngeschichte usw. bin ich je nach Lust und Laune dran. Ausserdem habe ich eine Bilddatenbank mitgenommen, in der die Bilder zur inhaltlichen Erschliessung kommentiert werden sollten. Aber eine ganz wichtige Tätigkeit ist es, einfach nichts zu tun, was manchmal ganz schön anstrengend sein kann, hier auf dem Schiff aber wunderbar funktioniert, v.a. da ich keine mögliche Kommunikationsmöglichkeit wahrnehme.

02-05

Montag, 6. Februar 2017: Unsere Position heute Morgen liegt bei 46°02‘ N / 10°11‘ W im Golf von Biskaya. Nach einer eher bewegten Nacht – sowohl was das Schiff als auch meine mich Wälzen im Bett angeht – und einem sichtbaren Sonnenaufgang wird das Wetter immer grauer. Wir fahren ja auch in den Winter. Die Temperatur liegt um 09:00 noch bei 14°C, am Mittag nur noch 12°C. Wir werden die Westspitze der Bretagne trotz den nun seit gestern eingehaltenen 18 Knoten erst am Abend erreichen und damit auch Rotterdam mit Verspätung. Wir werden sehen. Die Bewegungen des Schiffes halten den ganzen Tag über an. Die Krängung, d.h. der Winkel, um den das Schiff sich gegen Back- und Steuerbord neigt, das Rollen, erreicht die kritische Grenze von 10°, was bedeutet, dass der Lift nicht mehr benützt werden darf. Und das Wetter ist grau-trüb. Gegen Abend erreichen wir den Waypoint 14, an dem wir in den Ärmelkanal einschwenken können und die Schiffsbewegungen gehen erheblich zurück. Die Massnahmen des Kapitäns scheinen Erfolg zu haben.

NAVIOS JOY, Nordatlantik 46°12.893'N / 009°52.915'W

NAVIOS JOY, Nordatlantik 46°12.893’N / 009°52.915’W

 

Dienstag, 7. Februar 2017: Nach dem ursprünglichen Plan sollten wir eigentlich heute Morgen in Rotterdam sein. Unsere Position heute Morgen liegt bei 49°57‘ N / 2°10‘ W und wir sind mit 15 Knoten unterwegs, die dann auf 12 Knoten reduziert wird. Wir sind im Ärmelkanal querab von Guernsey und Cherbourg, was Telephonkontakte ermöglich. Wir sind aber auch mit vielen anderen Schiffen unterwegs. Die engste Stelle zwischen Calais und Dover erreichen wir gegen 21:00 und die Ankunft in Rotterdam ist für den Mittwoch auf 03:00 angesagt.

English Channel

English Channel mit zwei in die gleiche Richtung wie wir fahrende Schiffe – eine dreispurige „Schiffsautobahn“

Mittwoch, 8. Februar 2017: Tatsächlich sind wir ungefähr um 06:00 im Hafen. Die Ladeoperationen beginnen um ca. 08:00. In Rotterdam hat es Nebel bei einem Grad: der Winter heisst uns willkommen. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob man von Bord gehen kann und z.B. diesen langen Blogtext endlich hochzuladen. Von den Filipinos an Bord bekommt man auch die Frage nach den Möglichkeiten die Auskunft, sie würden hier nie von Bord gehen. Die Stadt Rotterdam liegt 30 km entfernt und die Taxis sind offenbar sehr teuer. Ich entschliesse mich, auf einen Landgang zu verzichten und an Bord zu bleiben. Ein bisschen länger spielt ja auch keine Rolle mehr. Ablegen ist allerdings erst gegen Abend zu erwarten. Bis dahin haben wir ausgiebig Zeit, das Geschehen hier in diesem Hafen zu verfolgen, z.B. das Ballett der fahrerlos verkehrenden Container-Transporter, die die von Schiff abgeladenen Container automatisch zu den Lagerstapeln bringen und die im Hintergrund automatischen Stapelkräne. Offenbar soll über kurz der lang der ganze Hafen, also auch die Containerkräne, die die Container von den Schiffen auch auf die Schiffe laden. Hier kommen auch zwei Techniker und ein Vertreter der Reederei an Bord, die vom Kapitän freundliche begrüsst werden!

Am späten Abend gegen Mitternacht sind sie immer noch am Laden.

Rotterdam

Rotterdam, die Ladekräne sind hier noch grösser

Rotterdam

Das sind die fahrerlosen Container-Transporter, im Hintergrund die automatischen Stapler

Donnerstag, 9. Februar 2017: Nach Auskunft des 3. Offiziers sind wir erst um 03:00 ausgelaufen. Die Position um 08:30 ist 53°11‘N / 4°31’E und wir halten mit 20,4 Knoten einen Kurs von 31°, den wir um ca. 09:00 mehr gegen Osten drehen. Gemäss aktueller Planung soll der Lotse um 16:00 an der Elbemündung an Bord kommen und wir sollten spätestens sechs Stunden später im Hafen sein. Nun, wir werden sehen. Das Wetter ist grau-trüb und kalt und wir haben eine steife Brise als Gegenwind.

Tatsächlich: um 15:50 ist der Lotse auf der Brücke und wir fahren bei Cuxhaven durch den Wattenmeer-Nationalpark, wo uns unter dem Nebel hindurch die Sonne mit einem schönen Untergang im alten Europa begrüsst. Die Fahrt bis Hamburg dauert ein Weilchen und wir liegen um 22:30 am Kai. Damit hat diese Seereise bei winterlichen Minustemperaturen ein Ende.

Langenoog--Cuxhaven

Zwischen Langenoog und Cuxhaven lässt die Abendsonne das  Wattenmeer leuchten

 

Kommentare

Thank you so much for your wonderful pictures and comments describing a winter crossing. As a summer traveler I often wondered what the winter storms would be like. One at least likes to feel that they are on a moving ship!

Lieber Res, vielen Dank für Deine Berichte und Fotos. Ich muss gestehen, ich habe noch nicht alles gelesen und angesehen – war erst ab der Antarktis „dabei“. Werde den Rest, bzw. den Anfang noch nachholen.

Ich bin mit meinen Abschlussarbeiten noch nicht ganz so weit wie Du, aber bin heftig am dran, deshalb auch noch die Reiselücken. Meine Zukunftspläne liegen aber nicht im Reisen, eher in musikalischen solchen. Herzliche Grüsse und ein herzliches Willkommen. Kurt

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